Textrepo Hähnel
Dienstag, 2. Juni 2015

Zeit wie Sand

Du liegst seltsam verdreht am Strand, während ich dich aus dem Auto, das 10 Meter entfernt steht, ansehe. Über uns rauscht die Straße und vor uns das Meer. Aber ich rausche auch von mir aus.

Und du, du liegst seltsam verdreht am dunkelgelben Strand. Es ist ein feiner Sand, immer noch warm von der sommerlichen Hitze des Tages. Wie ein Schatten im Schatten des Abends liegst du da. Ich will zu dir, aber ich kann nicht.

Während du am Strand liegst - wie lange schon? - sitze ich immer noch im Auto. Als würde es sicher gleich weitergehen. Als wären wir noch nirgends. Ablandiger Wind. Der Sand überwirbelt dich. Ich schnalle mich ab.

Du bist eine Skulptur, deren Sockel im Sand zu verschwinden droht, so wie meine Füße - plötzlich unsicher geworden im weichen Material - jeden Schritt erneut verschwinden.

Du regst dich nicht, bist mir abgewandt. Und ich kann dich nicht rufen. Ich rausche zu laut. Ich mache einen Schritt, dann noch einen. Schon knie ich neben dir. Lege mich neben dich, auf dich, über dich.

Zwischen uns eine Schicht Sand. Erst Sand, dann du, dann Sand, dann ich, dann Sand. Ich schaue zurück. Unser Auto, tief eingegraben von der Gewalt. Die durchstoßene Leitplanke. Nur drei Sekunden. Augen auf, Augen zu, Augen auf.

Du sagtest: Wir haben Zeit. Es ist genug Sand für alle da. Du schnalltest dich ab um mir die Flasche Wasser zu geben. Im Augenwinkel folgte ich deiner Silhouette. Wir haben Sand. Es ist genug Zeit für alle da.

Ich rausche lauter und heftiger als Meer und Land zusammen. Ich rausche aus meinem Bauch, aus meinem Bein, aus meinen Ohren. Es gibt niemanden, der das nicht hören kann.

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